Života

 

Als ich mit 9 Jahren meine Verwandten in Serbien besuchte, lernte ich ihn kennen. Života.   

 

Bei meiner Tante im Hinterhof, lag ein kleiner räudiger Hund. Eine dicke Eisenkette um seinen Hals. Sie war fast größer als er selbst. Sein Fell war kurz, schwarz und durchzogen mit einigen grauen Tönen. Somit schon ein älterer Herr. Wie ich später erfuhr.

Seine Haltung war leicht geduckt. Er sah mich von unten herauf an. Je näher ich kam umso mehr zog er an der Kette und desto dunkler wurde sein knurren. Mir war nicht bange. Er tat mir einfach nur leid.

In einem sicheren Abstand blieb ich stehen und redete auf ihn ein: „Keine Angst. Du bist ein armer Kerl. Hängst an dieser fürchterlichen Kette. Ganz ruhig. Ich tu dir nichts.“

Ich ging zu meiner Tante und fragte nach dem Hund. „Wieso ist der denn an der Kette? Wie heißt er?“

„Nachts lasse ich ihn von der Kette los. Er beschützt unseren Hof. Da nähert sich keiner so schnell. Name? Hat er keinen. Kannst ihm ja einen geben.“

Ja und das machte ich. Ich nannte ihn Života. Auf Deutsch „Leben“.

 

Jeden Tag ging ich zu Života, bewaffnet mit Futter. Küchenabfälle, die ich von meiner Tante bekam.

Täglich durfte ich einen Schritt näher herantreten ohne dass er mich anknurrte. Nach einer Woche hatte ich es geschafft. Ich streichelte ihn.

Meine Mutter fand das schrecklich. „Der hat bestimmt Flöhe und stinkt.“ Aber das war mir egal. Ich mochte ihn.

Ich ging zu meiner Tante und fragte: “Darf ich Života von der Kette losmachen? Er hat alles eingeschnitten am Hals. Das tut doch bestimmt weh?“

Sie hatte mich die ganze Zeit beobachtet und gesehen das er vertrauen zu mir aufgebaut hatte. Sie half mir die Kette zu lösen. Er rannte wie ein Wilder den ganzen Hof entlang. Hoch und runter immer wieder.

Wir wurden die besten Freunde. Života begleitet mich wohin ich auch ging. Und wehe es kam mir jemand zu nahe, dann knurrte er ihn böse an.

 

Die 4 Wochen gingen schnell vorüber. Ich musste wieder nach Hause und habe ihn nie wiedergesehen, meinen Života.

 

08.09.2017 Helga Sättler