Nächtliches Treffen

 

Mit 14 lügt man gerne. Der Stolz, die Eltern erfolgreich hintergangen zu haben, gehöre zum Erwachsen werden. Stand in einem Artikel der Frankfurter Allgemeinen.

Und was soll ich euch sagen, es stimmt. Ich habe es auch getan. Mit 14.

 

An einem sonnigen Nachmittag liefen meine Freundin Brigitte und ich, in die nahegelegenen Parkanlagen am Lech. Wir trafen Werner und Peter. Werner war Brigittes Freund und Peter, war Werners Freund.

Dabei kamen wir auf die glorreiche Idee uns nachts mit den beiden zu treffen.

 

Wir wussten, unsere Eltern würden das nie zulassen, dazu waren wir zu jung. Deswegen holten wir uns die Erlaubnis, dass Brigitte bei mir übernachten durfte.

Die beiden Jungs sollten uns um 01:00 Uhr nachts vor dem Haus erwarten.

 

Damit wir nicht einschliefen, hielten Brigitte und ich uns gegenseitig mit Geschichten wach. Kurz vor eine Uhr stiegen wir lautlos aus dem Bett. Ohne zu reden, schlüpften wir in unsere Klamotten. Mein Herz schlug bis zum Hals!

Das Schlafzimmer meiner Eltern lag auf der Nordseite. Mein Zimmer im Süden. Der Gang zwischen uns. Somit würden sie uns bestimmt nicht hören, redeten wir uns ein.

Das Bett grenzte an die Ostseite, direkt an der Wand. Folglich platzierten wir ein Nachthemd unter die Bettdecke und ließen ein kleines Stück sichtbar baumeln. Wir legten zwei Puppen ins Bett. So dass nur ihre Haare zu sehen waren. Für den Fall das meine Eltern hereinsahen, erblickten sie zwei Haarschöpfe und ein Nachthemd.

 

Wir wohnten im Hochparterre. Direkt unter meinem Fenster befand sich ein Kellerfenster mit vergitterten Stäben vor der Scheibe. An diesem konnten wir uns mit den Füßen einhaken und hinabsteigen. Das Fenster zogen wir zu. Als wir über den Gartenzaun stiegen, warteten die beiden schon auf uns.

 

Wir spazierten mit ihnen am Lech entlang. Brigitte und Werner steuerten händchenhaltend auf zwei nebeneinanderliegenden Sitzgelegenheiten zu und knutschten, was das Zeug hielt. Peter und ich setzten uns auf die Zweite und unterhielten uns über alle möglichen Themen. Ich glaube, er war schüchtern und ich… auch. Somit blieb es beim Quatschen.

 

Um 5 Uhr früh, trennten wir uns gut gelaunt von den beiden und liefen nach Hause. Die Vögel pfiffen fröhlich ihre Morgenlieder. Der Tag zeigte sich.

Je weiter wir nach Hause kamen, desto mulmiger wurde es mir. Unterwegs überlegte ich, was wir machen würden, wenn meine Eltern etwas bemerkt hätten.

„Vielleicht stand schon die Polizei vor der Tür“, sagte ich ängstlich.

„Wenn sie bemerkt haben, dass wir abgehauen sind. Dann renn ich weg.“

Brigitte beruhigte mich: „Das ist niemanden aufgefallen, keine Angst.“

 

Wir stiegen im Garten über den Zaun. Schlichen leise zum Fenster.

Alles still.

Nun aber schnell. Brigitte stieg zuerst ins Zimmer. Ich kletterte hinterher. Um auf das Fensterbrett zu kommen, musste ich mich hochziehen. Das war leichter gesagt als getan. Immer wieder knallt das Fenster an die Außenwand. Was den morgendlichen Vogel Gesang unterbrach.

Brigitte versuchte, mich an den Armen zerrend, ins Zimmer zu hieven. Sie schaffte es nicht. Meine Angst verlieh mir keine Flügel. Ich fing zu schwitzen an.

Irgendwo rumpelte ein Rollo nach oben. Wir verharrten. Hätte ich das nur nie gemacht, dachte ich verzweifelt.

 

Sie stieg aus dem Fenster. Wollte mich von hinten anschieben. Keine Chance.

Zack, zack schepperte es bei jedem Versuch, gegen die Wand. Endlich schaffte ich es. Brigitte kam mit einer Leichtigkeit hinterher. Wir verhielten uns ganz ruhig. Horchten, ob jemand wach geworden war. Mein Herz schlug schwer gegen die Brust. Alles friedlich. Nur die Vögel pfiffen lustig ihren morgendlichen Gesang ins Fenster.

 

(Autor: Helga Sättler 01.04.2019/Thema:Lüge/Notlüge)