Ich erinnere mich an eine wunderschöne Kindheit. Meine Eltern waren immer sehr lieb und herzlich. Nur mein Bruder ärgerte mich ab und zu.
Wenn man ihn heute fragt, wird er dasselbe von mir behaupten.
Mit ca. 3 Jahren klingelte ich im 2ten Stock bei unserer Nachbarin Frau Oberhuber. Ich wollte ihren Wellensittich besuchen, erzählte mir später meine Mutter. Ich kann mich erinnern, dass wir am Küchentisch saßen und uns unterhielten. Die Sonne strahlte ins Küchenfenster. Sie gab mir einen Apfel den ich mir schmecken ließ. In der Zwischenzeit suchte meine Mutter verzweifelt die ganze Umgebung ab und befragte einige Nachbarn. Keiner hatte mich gesehen. Nach ca. 1 Stunde kam ich die Treppen herunter. Tränenaufgelöst nahm mich meine Mutter in die Arme und war froh mich wieder gefunden zu haben.
Wir wohnten in einem Mehrparteienhaus mit vielen Kindern. Im Nachbarhaus lebte ein alleinstehender Mann. Sein Garten grenzte an unseren Innenhof. Dieser war total verwildert und sah aus wie ein Urwald, deswegen nannten wir ihn „Urwald Jonny“. Als Mutprobe machten wir in den Maschendrahtzaun ein Loch und liefen in seinem Garten umher. Dort gab es viele Weinbergschnecken, die sich unter dem hohe Gras und Gestrüpp versteckten. Nur am fürchterlichen Knirschen erkannte ich, wenn wieder eine unter meinen Füßen klebte. Iiiiih, war das eklig. Dieses Geräusch habe ich heute noch in den Ohren.
Mein Bruder dichtete ein Lied für ihn: Es hieß „der Ur-ur-ur Wald Jonny“. Er spielte dazu Akkordeon und wir Kinder sangen lauthals das Lied. Plötzlich rief jemand:„ Achtung, der Urwald Jonny kommt.“ Alle stieben auseinander. Ich hatte solche Angst, dass ich zu Nachbarn flüchtete. Ich erzählte Frau Pichler dass der Urwald Jonny mich umbringen wollte. Sie wussten gar nicht wen ich meinte. Sie alarmierte meine Mutter, die mich abholte und beruhigte. Ich war so ca. 5 Jahre alt.
Später zog Familie Günther mit Joachim in unser Haus. Er war ein halbes Jahr jünger als ich. Wir wohnten in der gleichen Etage. Da ich es mir schmecken ließ, wurde ich öfter zum Abendessen bei ihnen eingeladen. Sie meinten, dadurch habe Joachim einen viel besseren Appetit. Einmal hatten wir in der Früh zusammen Weißwürste gegessen. Seine Mama, wollte danach mit uns einen Ausflug mit dem Auto machen. Ich weiß nicht mehr wohin. Von dem vielen Bremsen ist es mir so schlecht geworden, dass die ganzen Würstchen nach der dritten Ampel wieder rauskamen.
Die Geburtstage von Joachim waren sehr schön. Seine Eltern hatten alle Kinder von beiden Häusern eingeladen und wir erhielten auch ein Geschenk. Dieses wurde unter einer Blechschüssel versteckt. Wir bekamen die Augen verbunden und einen Kochlöffel in die Hand. Einer rief dann immer kalt oder warm, bis wir auf die Schüssel stießen. Wir klopften darauf und was darunter lag gehörte uns. Ich kann mich an Buntstifte erinnern. Seine Mutter spielte mit Handpuppen Theater für uns. Ich liebte Märchen und Geschichten. Auch heute noch.
Ein anderer Nachbar hat sich für uns Kinder einige Jahre als Nikolaus verkleidet. Vor dem Nikolaus hatte ich fruchtbar Angst, wusste ja nicht das es sich um Herrn Winter handelte. Als es am Nikolaustag klingelte sind mein Bruder und ich unter den Wohnzimmertisch gekrochen. Ich traute mich nicht mehr raus, bis er weg war. Alles gute Zureden half nichts.
In den Ferien durfte ich zu meinen Onkeln und Tanten fahren. Tante Kathi wohnte etwas außerhalb von Augsburg auf dem Land. Mein Cousin Horst ist nur 4 Jahre älter als ich. Einmal hat er mich in den Wald mitgenommen. Wir sind durchs Gestrüpp gelaufen, dabei hatte ich mir mein neues Kleid zerrissen. Als wir zurückgingen wollten wir nicht auf der Straße laufen, somit nahmen wir eine Abkürzung durch ein Weizenfeld. Meine Tante hatte alles vom Fenster beobachtet. Wir hinterließen eine Schneise. Von ihrem Fenster aus, sah man die nieder getrampelten Halme. Das gab einen Anpfiff. An einem anderen Tag lief ich den Hennen hinterher und klatschte in die Hände. Abends hatte ich Fieber. Später als sie umgezogen war, auf einen Bauernhof, wollte ich noch lieber zu ihr. Die Vermieter meiner Tante hatten Schweine und Hühner. Die Hühner taten mir leid. Einmal war ich im Stall dabei als meine Tante die Eier rausholte. Sie waren in einem dunklen Raum, in kleinen Gitterkörben untergebracht, hunderte. Es stank fürchterlich. Da gefiel es mir bei den Schweinen schon besser. Vor allem wenn sie Ferkel hatten. Meine Mutter rümpfte immer die Nase, wenn wir Abends nach einem Wochenendbesuch wieder nach Hause fuhren. „Das ganze Auto stinkt nach Schweinestall“, sagte sie zu meinem Vater. Er lachte nur.
Meinen Onkel Josef, der in der Nähe von Heidelberg in einem kleineren Ort lebte, habe ich auch manchmal in den Ferien besucht. Er züchtete Wellensittiche und Kanarienvögel in einer Voliere. Einmal, als ich ihn besuchte, durfte ich mir einen Vogel aussuchen. Es war ein gelber Kanarienvogel mit einem braunen Köpfchen. Onkel Sepp meinte, dass sei sein bester Sänger. Ich war ganz stolz mir so ein tolles Exemplar ausgesucht zu haben. Später hätte ich Bubi beinahe umgebracht. Es gab in der Zoohandlung ein Spray gegen Milben, dass sollte man in einer gewissen Entfernung unter das Gefieder sprühen. Ich dachte das tut ihm gut. Leider war ich zu nah dran und meinen armen Bubi hat es vom Stängel gehauen. Er ist einfach umgefallen. Ich rief nach meiner Mutter. Sie nahm den armen Bubi in ihre Handflächen und trug ihn ans geöffnete Fenster. Die frische Luft machte ihn wieder lebendig. Da war ich aber froh.
Ja so war
das damals bei mir. Es war immer was geboten. Ich erfreute mich an vielen Dingen und durfte es auch leben. Dank meiner Eltern, Onkel, Tanten und allen Anderen denen ich begegnet bin.
Autor: Helga Sättler 10.04.2015