Ein Kleidungsstück

 

Als Teenager, zog ich am liebsten Hosen an, was meiner Mutter ganz und gar nicht gefiel.

Sie meinte: „als Mädchen solltest du Röcke und Kleider tragen, nicht diese gammligen Jeans“.

In den 70igern bedeutete eine Bluejeans Freiheit, Unabhängigkeit. Sich von den Erwachsenen unterscheiden, rebellieren.

 

Der Western Store in Augsburg, war in jener Zeit der absolute Renner um eine Jeans zu kaufen. Eine Holzschwingtür im Vorraum und indianische Bilder im Innern schmückten die Wände. Die soulig, funkigen Klänge im Hintergrund lockten zum Kauf. Es gab Levis, Lee, Mustang und Wrangler in verschiedenen Formen.

 

Ausschlaggebend bei einer Jeans war damals, das sie vom Bund bis zu den Knien knall eng sein musste und sich nach unten weitete. Unter dem Schlag durften die Schuhe nicht sichtbar sein. Der Saum lag am Boden auf, dadurch franste er nach einer gewissen Zeit aus. Dafür gab es bunte ca. 3 cm hohe Webbänder, die rundum angenäht wurden. Sie waren mit Blumen oder einem Muster bestückt.

 

Wie bei allen Pubertierenden, war Kleidung kaufen, ein Kampf. Meine Mutter hatte stets eine andere Vorstellung als ich. Unsere Geschmacksrichtungen gingen völlig auseinander. Im Western Store waren wir meistens im Clinch.

 

„Die Hose ist viel zu eng. Da drückt es dir alles raus. So kannst du doch nicht rumlaufen“, sagte meine Mutter.

„Doch ich kann so rumlaufen, alle laufen so rum.“

„Probier doch mal diese, sie ist eine Nummer größer“.

Als ich sie anhatte.

„Die gefällt mir viel besser. Die steht dir richtig gut.“

„Die Jeans ist viel zu groß, sie dehnt sich nach mehrmaligen tragen. Das sieht doch furchtbar aus.“

Nach weiteren Hosen proben kaufte sie mir am Ende doch die Levis. Nur um ihre Ruhe zu haben. Wahrscheinlich konnte sie meinen schmollenden Mund und meine hochgezogenen Augenbrauen nicht mehr sehen.

 

Ich freute mich zwar die Bluejeans bekommen zu haben, aber bequem waren die Hosen zu jener Zeit nicht. Es drückte und zwickte an allen Ecken. Wenn sie frisch gewaschen war, legte ich mich aufs Bett, hielt die Luft an, um den Reißverschluss zu schließen. Dann ganz vorsichtig aufstehen. Am besten seitlich abrollen, nicht gerade nach oben. Die Angst, dass der Reißverschluss platzt oder die Nähte zerrissen war damals alltäglich.

 

09.11.2015 Helga Sättler