Ein Männlein steht im Walde.

 

Ich war in der 3. Klasse. Gerade 9 Jahre alt. Im Musikunterricht wurde viel gesungen. Zusammen singen ging gut. Da musste ich nur die Lippen bewegen. Herr Huber, unser Musiklehrer, hatte nie was bemerkt. Zumindest dachte ich das.

 

Zuhause sang ich ein Lied nach und nahm es auf dem Kassettenrecorder auf.

Mein Bruder meinte lachend: „Du hörst dich an, wie ein halskranker Papagei.“

„Na, du musst reden, kannst auch nicht schöner singen,“ antwortete ich schnippisch.

Ebenso mein Vater. Er würde nie mit seiner Singstimme berühmt werden. Nur meine Mutter hatte einen glockenklaren Klang.

 

Eines Tages wollte Herr Huber hören, wie gut wir singen konnten, um im Schulchor mitzuwirken. Oh je, ich wusste, das kann ich nicht.

Diesmal sollten wir einzeln vorkommen und singen. Am Lehrerpult war ein Mikrofon angebracht. Ohne Musik, nur die Stimme war zu hören. Wie konnte ich das umgehen? Meine Gedanken rasten. Auf die Toilette flitzen? Oder, einfach davon laufen? Mein Magen war ganz flau. Ich fing zu schwitzen an.

 

Einer nach dem Anderen wurde ans Pult gerufen und durfte ein Lied singen.

„Helga, du bist die Nächste.“

Auf dem Weg zum Pult war mein Kopf siedend heiß. Ich sah nach unten. Der Holzboden knarrte bei jedem meiner Schritte. Ich wollte das einfach nicht, aber was sollte ich machen?

Herr Huber meinte: „Helga du musst ins Mikrofon singen, bitte den Kopf etwas höher.“

 

Mein Herz raste. Ich glaubte, ab und zu ein Lachen zu hören. Alle starten mich an. Der Angstschweiß lief mir den Rücken hinunter.

„Na dann Helga, fang an.“

Ganz leise, fast unhörbar sang ich: „Ein Männlein steht im Walde ...“

„Ich höre dich nicht, etwas lauter bitte.“

Ich steigerte leicht die Stimme, „…ganz still und stumm. Es hat von lauter Purpur

ein Mäntlein um.“

Alles war jetzt ruhig, nur meine Stimme war zu hören. Mein Herz zersprang fast.

Röter konnte ich nicht mehr werden. Fieberschübe, die mich durchzogen. Es war furchtbar. Nach der ersten Strophe wurde ich erlöst.

 

„Danke Helga das reicht, setz dich wieder.“

 

Alle lachten und ich.… schlich ganz still und stumm an meinen Platz zurück. Mein Kopf glühte wie das Käppchen vom Männlein.

 

 

(Autor: Helga Sättler 29.10.2019/Thema: Lampenfieber)

 

Ein Männlein steht im Walde ganz still und stumm,

Es hat von lauter Purpur ein Mäntlein um.

Sagt, wer mag das Männlein sein,

Das da steht im Wald allein

Mit dem purpurroten Mäntelein.

 

Das Männlein steht im Walde auf einem Bein
Und hat auf seinem Haupte schwarz Käpplein klein,
Sagt, wer mag das Männlein sein,
Das da steht im Wald allein
Mit dem kleinen schwarzen Käppelein?

 

Gesprochen:

 

Das Männlein dort auf einem Bein
Mit seinem roten Mäntelein
Und seinem schwarzen Käppelein
Kann nur die Hagebutte sein,