Der Collie

 

Eine neue Wohnung beziehen, heißt auch meistens, Einweihungsgeschenke erhalten. Ob sinnvoll, schön oder nicht schön, liegt im Ermessen des Betrachters.

 

Als Wolfgang und ich unsere erste gemeinsame Wohnung bezogen, bekamen wir Tage später Besuch von einer Freundin. Ihr Mitbringsel war ein stehender Collie, ca. 15 cm, aus Porzellan. Die Farben wechselten von dunkelbraun ins hellbraun. Unterbauch und Pfoten waren weiß. Ein ansehnliches Exemplar.

 

„Danke für den schönen Hund“, sagte ich höflich.

„Wo stellen wir dieses tolle Exemplar denn hin?“

„Hier auf dem Wohnzimmerregal, rechts von der Vitrine, das wäre doch ein geeigneter Platz“, bemerkte sie.

 

Als sie weg war, meinte Wolfgang: „Müssen wir den stehen lassen? Ich finde ihn grässlich.“

„So furchtbar ist er auch nicht. Zumindest hat er ein hübsches Gesicht“, erwiderte ich.

Somit stand er zwischen Büchern und anderem Krimskrams auf unserem Wohnzimmer Regal.

 

Als unsere Freundin wieder auf Besuch kam, sah sie zum Schrank und sagte: „Ach, habt ihr den Hund noch auf dem Schrank stehen, das freut mich aber.“

„Ja, der ist doch sehr hübsch“, erwiderte ich.

Somit verbrachte er einige Jahre auf unserem Regal.

 

Irgendwann landete er im Schrank. Es war einfach kein Platz mehr für ihn.  

Allerdings, sobald sich meine Freundin zu Besuch anmeldete, gings los.

„Denk an den Hund, der muss wieder aufs Regal“, sagte ich zu Wolfgang.

Somit wurde er aus seinem dunklen Verlies geholt und auf seinen alten Platz gestellt.

Sie freute sich jedes Mal, wenn sie ihn sah. Wir trauten uns nicht, den Hund im Schrank zu lassen. Geschweige denn, ihn nicht an seinen angestammten Platz zu setzen.

 

Nach einigen Jahren fiel er mir herunter. Wolfgang beförderte ihn freudestrahlend in die Tonne. Der Arme, sein hübsches Gesicht sah mich aus der Tonne an. Die Vorderbeine fehlten.

 

 

22.09.2017 Helga Sättler