Spaziergang im Wind

 

Ich höre das Rauschen des Windes, der die Blätter der Bäume zum Rascheln bringt. Schäumende graugrünen Wellen klatschen an die Kaimauer. Ich spüre die Gischt, die mein Gesicht benetzt. In der Nacht zog ein Sturm durch die Stadt. Die Reste sind im Wind zu spüren, der mich mit jedem Schritt trägt.

 

Still und verlassen liegt die Straße vor mir. Es ist früher Vormittag. Die grünen Fensterläden sind geschlossen. Die Menschen dahinter scheinen zu schlafen. Vielleicht ist dieses Haus nicht mehr bewohnt. Nur hinter einem Fenster scheint es Leben zu geben. Die Farbe ist durch die Feuchtigkeit und die Jahre verblichen und abgeblättert. Eine Sackkarre mit orangem Eisengestell und großen schwarzen Rädern steht verlassen am Pflanzkasten. Überwintern an einem wärmeren Ort? Die Eingangstüre verbirgt sich hinter den Pflanzen.

 

Das Café daneben hat einen frischen Anstrich erhalten. Mit den kleinen Zinnen auf dem Dach bekommt es ein burgähnliches Aussehen. Schwarze Tische und Stühle stehen davor. Die beiden großen Sonnenschirme sind geschlossen und mit Seilen befestigt. Somit kann der Wind ihnen nichts anhaben. Da die Sonne sich im Westen noch nicht zeigt, liegt der grau-weiß gepflasterte Weg fast vollständig im Schatten. Nur über die Zinnen können sich die Strahlen ausbreiten. Ihr Licht lässt das Ende des Weges und einen Teil des gegenüberliegenden Hauses erstrahlen.

 

Auch hier scheint alles verlassen zu sein. Der Laden unterhalb geschlossen. Auf den Balkonen keine Bewegung, nur der Baum wiegt sich im Wind. Die Fassade bröckelt ab und die Fußmatte ist arbeitslos.

 

Vor mir die bergige Landschaft der Westküste. Eine wundervolle Aussicht von der Ostküste des Gardasees an einem goldenen Oktober in Torri del Benaco.

03.04.2016 Helga Sättler